Selbst und ständig? 5 Vorurteile über Freelancer und was dran ist
GULP Freelancer Studie 2017 – Rund um Projekte und Skills
Als Freelancer begegnen Sie im Bekanntenkreis oder Ihrem professionellen Umfeld sicher Bemerkungen zu den gängigen Klischees, die sich um Ihren Berufsstand ranken. „Du arbeitest doch sowieso nur in Jogginghose von der Couch aus“, oder „Wie kannst du dich nur mit Familie selbstständig machen, das ist doch viel zu unsicher“, sind nur einige Beispiele dafür. Wir nehmen fünf der Vorurteile unter die Lupe und untersuchen, was dran ist. Bei der Analyse helfen uns die Ergebnisse des zweiten Teils der GULP Freelancer Studie „Rund um Projekte und Skills.“
HInweis: Die Ergebnisse beziehen sich auf den deutschsprachigen Raum und die Beträge werden nur in Euro angezeigt.
Die Schweiz ist mit einem Teilnehmeranteil von 3,2% vertreten.
Wollen Sie weitere spannende Erkenntnisse rund um Projekte und Skills erfahren? Dann können Sie sich hier den zweiten Teil der GULP Freelancer Studie gratis herunterladen.
Selbst und ständig – das hat jeder Selbstständige schon mindestens einmal gehört. Doch laut der GULP Freelancer Studie ist die Arbeitsbelastung für fast die Hälfte der Freelancer vergleichbar zu der ihrer festangestellten Kollegen. 54,4 Prozent der befragten IT- und Engineering-Experten arbeiten demnach zwischen 31 und 40 Stunden pro Woche für das Projekt ihres Kunden. Bei weiteren 23,9 Prozent beträgt die durchschnittliche wöchentliche Projektarbeitszeit zwischen 41 und 50 Stunden.
Natürlich hängt die tatsächliche Arbeitsbelastung immer von individuellen Faktoren ab wie nahe rückende Deadlines, der Jahresendspurt und die Menge der parallel laufenden Kundenaufträge. Und auch weitere Aufgaben, die nicht mit dem Kundenprojekt zu tun haben, kommen hinzu, zum Beispiel Buchhaltung, Akquise oder Weiterbildung. Weit verbreitet ist die Annahme, dass Freelancer, die noch relativ neu im Geschäft sind, besonders viele Arbeitsstunden für ihre Freiberuflichkeit investieren müssen.
Als Beispiel haben wir untersucht, ob und wie die aufgewendete Zeit für Akquise von der Dauer der Tätigkeit als IT- und Engineering-Freelancer abhängt. Und tatsächlich zeigt sich, dass die „Neueinsteiger“ im Freelancing-Geschäft noch etwas mehr Zeit pro Monat in die Akquise investieren: Durchschnittlich sind es in dieser Gruppe 5,2 Stunden, also fast eine Stunde mehr als der Gesamtdurchschnitt (4,3 Stunden).
Von der Hand in den Mund leben, nie wissen, was einen nach dem aktuellen Projekt erwartet – dieses Gefühl von Unsicherheit hält wohl viele mit einer Festanstellung vom Schritt in die Selbstständigkeit ab. Doch wie sehen es die Freelancer selbst? Auch das wollten wir von den Umfrageteilnehmern aus IT und Engineering wissen. Die überwiegende Mehrheit straft das Klischee Lügen: 84,4 Prozent machen sich keine Sorgen um den nächsten Auftrag.
Sie verlassen sich mehrheitlich auf ihre eigenen Akquisefähigkeiten, greifen auf ihr gutes persönliches Netzwerk zurück oder können sich generell auf bereits vollen Auftragsbüchern für die kommenden Monate stützen.
Es ist der Traum eines jeden Arbeitnehmers, der mal wieder im Stau steht oder sich über Verspätungen im öffentlichen Nahverkehr ärgert: Das Büro in den eigenen vier Wänden, gemütlich ausschlafen und dann den ganzen Tag in Jogginghose abhängen. Wenn einem die Decke auf den Kopf fällt, wird eben in das schicke Café um die Ecke gewechselt. Auch das ist ein Freelancer-Klischee, das sich hartnäckig hält und vielleicht auch in manch anderen Kreativ-Branchen zutrifft. IT- und Engineering-Freelancer arbeiten unserer Studie zufolge mehrheitlich beim Kunden vor Ort – oder zumindest einen großen Teil der Zeit.
Das Gros (35,2 Prozent) verbringt zwischen 50 und 99 Prozent beim Kunden, weitere 29,2 Prozent sind sogar Vollzeit vor Ort. Dieser Anteil nahm in den letzten Jahren ab, was sicher auch der Diskussion um die Scheinselbstständigkeit geschuldet ist. Dennoch: Auch Freelancer müssen sich durch den morgendlichen Berufsverkehr quälen.
Eine Annahme, die auch durch den Forschungsbericht „Solo-Selbstständige in Deutschland – Strukturen und Erwerbsverläufe“ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales aus dem letzten Jahr geprägt wurde. Dessen Ergebnis: Mehr als die Hälfte der Solo-Selbstständigen hätten nicht ausreichend für das Alter vorgesorgt. Wenn auch der Autor des Forschungsberichts mit einer nachträglichen Korrektur klar stellte, dass die Analyse ein „lückenhaftes Bild“ abgegeben hätte, wollten wir Gewissheit: Uns interessierte, ob die befragten IT- und Engineering-Experten der Meinung seien, fürs Alter ausreichend finanziell vorgesorgt zu haben.
Und auch hier bestätigt sich das Klischee nicht: Denn 71,3 Prozent zeigen sich zuversichtlich und vertrauen auf ihre eigenen wirtschaftlichen Fähigkeiten. 25,4 Prozent dagegen sind (noch) nicht der Meinung, ausreichend vorgesorgt zu haben.
Oft hört man von „Selbstständigkeit“ als moderne Art der Sklaverei, als letzte Lösung auf einem prekären Arbeitsmarkt und von Fällen, in denen ein Arbeitnehmer entlassen und dann zu weitaus schlechteren Konditionen als selbstständiger Zulieferer wieder engagiert wurde. Was vielleicht für Berufskraftfahrer, in der Gastronomie oder auf Journalisten zutreffen mag, scheinen die IT- und Engineering-Freelancer anders zu sehen. 95,4 Prozent der Umfrageteilnehmer sind demnach selbstständig aus Überzeugung. Das zeigt, dass in dieser Branche der Schritt in die Selbstständigkeit bewusst gemacht wird und meist nicht aus der Not heraus geschieht. Auch bei den Gründen sind sich die Befragten einig: Für 95,6 Prozent spielt die berufliche Unabhängigkeit eine wichtige Rolle. 83,3 Prozent der Befragten sind davon überzeugt, dass sie insgesamt mehr verdienen als Festangestellte. Unterm Strich sind 89,4 Prozent mit ihrer aktuellen beruflichen Situation zufrieden, eine Festanstellung zu guten Konditionen ist nur für knapp ein Drittel (29,1 Prozent) eine Option.
Die Daten zeigen also: Nicht alle Freelancer in allen Branchen kann man über einen Kamm scheren und viele Klischees treffen im IT- und Engineering-Bereich nicht zu. Wie steht es bei Ihnen um die Vorurteile: Treffen sie zu oder eher nicht? Wir sind gespannt auf Ihre Kommentare.
Weitere Zahlen und Fakten rund ums Projekt sowie die lukrativsten Skills und Branchen finden Sie im zweiten Teil der GULP Freelancer Studie.
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