
Arbeitsrechtliche Fragen im Zusammenhang mit dem Coronavirus
Das Coronavirus hat nun auch die Schweizer Bevölkerung und Wirtschaft besonders getroffen. Vor wenigen Tagen hat der Bundesrat die Situation in der Schweiz als «ausserordentliche Lage» im Sinne des Epidemiengesetzes eingestuft, die Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung noch weiter verschärft und auch weitere Massnahmen für die Schweizer Wirtschaft beschlossen (auch die Covid-19-Verordnung 2 des Bundesrates). An dieser Stelle sollen die Bedeutung und Auswirkungen des Auftretens des Coronavirus und der vom Bundesrat beschlossenen Massnahmen für einzelne Fragen erläutert werden, welche sich aus Sicht der Arbeitgeber stellen können.
Im Zusammenhang mit dem Coronavirus stellt sich für Arbeitgeber in vielen Situationen die Frage, ob sie den Lohn weiterhin bezahlen müssen, falls ein Arbeitnehmer seiner Pflicht zur Arbeitsleistung nicht mehr nachkommt. Daher soll nachfolgend aufgezeigt werden, in welchen Konstellationen eine Lohnfortzahlungspflicht besteht bzw. nicht besteht. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass diese Fragen teilweise umstritten sind und nicht klar ist, wie die Gerichte in der vorliegenden Situation entscheiden würden.
Im Falle, dass der Arbeitnehmer lediglich aufgrund einer Ansteckungsangst zu Hause bleibt, besteht grundsätzlich keine Lohnfortzahlungspflicht. Eine Ausnahme gilt für den Fall, dass der Arbeitgeber die aufgrund seiner Fürsorgepflicht zu treffenden Schutzmassnahmen zum Schutz der Arbeitnehmer nicht (genügend) umsetzt. Verpflichtet der Arbeitgeber den Arbeitnehmer jedoch von sich aus, dass der Arbeitnehmer zu Hause bleiben muss, weil der Arbeitgeber eine Ansteckung befürchtet, ist der Lohn weiterhin geschuldet. Darüber hinaus darf der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keine Ferien oder Überstunden abziehen, wenn er den Arbeitnehmer nicht arbeiten lässt.
Falls der Arbeitnehmer aufgrund eines Stillstandes des öffentlichen Verkehrs keine anderweitige zumutbare Möglichkeit hat, seiner Arbeitspflicht nachzukommen, besteht keine Lohnfortzahlungspflicht. Gleiches gilt, falls der Arbeitnehmer aus privaten Gründen im Ausland weilt und keine Rückreisemöglichkeit hat. Hält sich der Arbeitnehmer jedoch aufgrund einer Geschäftsreise im Ausland auf und hat er keine Rückreisemöglichkeit, so schuldet ihm der Arbeitgeber weiterhin den Lohn.
Bei einer behördlich angeordneten Quarantäne über einen einzelnen Arbeitnehmer besteht eine Lohnfortzahlungspflicht. Diesfalls könnte jedoch abgeklärt werden, ob die Krankentaggeldversicherung dafür aufkommt. Es könnte auch geprüft werden, ob diese Zeitspanne durch die Kurzarbeitsentschädigung abgedeckt wird, falls der Arbeitgeber eine solche zuvor beantragt hat und die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. nachfolgend unter «Kurzarbeit und finanzielle Unterstützungsmassnahmen des Bundesrates»). Hinzuweisen ist auch darauf, dass ein Arbeitnehmer für eine beschränkte Zeit in Quarantäne unter bestimmten Voraussetzungen eine Entschädigung bei der Ausgleichskasse geltend machen kann (vgl. Massnahmen des Bundesrates vom 20. März 2020 betreffend «Entschädigung bei Erwerbsausfällen für Angestellte» ). Für den Fall, dass eine ganze Gemeinde oder eine grössere Bevölkerungsgruppe unter Quarantäne gestellt wird, besteht jedoch kein Anspruch auf Lohnfortzahlung.
Falls sich der Arbeitgeber aus eigenem Anlass für eine (teilweise) Betriebsschliessung oder für eine Reduktion der Betriebsauslastung entscheidet, schuldet er weiterhin den Lohn. In diesem Fall könnte er jedoch mit Einverständnis der Arbeitnehmer die Einführung von Kurzarbeit beschliessen und unter bestimmten Voraussetzungen eine Kurzarbeitsentschädigung geltend machen. Falls der Betrieb aufgrund einer behördlichen Massnahme geschlossen wird, besteht nach Ansicht des SECO ebenfalls eine Lohnfortzahlungspflicht, wobei die Arbeitnehmer aufgrund ihrer Treuepflicht unter Umständen dazu verpflichtet werden können, die «verpassten» Arbeitszeiten nachzuholen (vgl. FAQ «Pandemie und Betriebe» des Staatssekretariats für Wirtschaft SECO). Im Fall einer Betriebsschliessung auf behördliche Anordnung könnte abgeklärt werden, ob eine Betriebsausfallversicherung Leistungen erbringt. Eine weitere Möglichkeit besteht in der Beantragung einer Kurzarbeitsentschädigung.
Aufgrund der Fürsorgepflicht und dem Weisungsrecht des Arbeitgebers ist dieser verpflichtet und auch berechtigt, Schutzmassnahmen zum Schutz der Arbeitnehmer anzuordnen.
Als Schutzmassnahmen sind insbesondere Informations- und Aufklärungspflichten betreffend Ansteckungsmöglichkeiten, persönliche und arbeitsplatzbezogene Schutzmassnahmen, Merkblätter mit Verhaltensvorschriften an Arbeitnehmer und Festlegung von Verhaltensregeln bei einer Ansteckung zu erwähnen. Hervorzuheben ist auch die Anordnung von Home Office.
Hinsichtlich Home Office hat der Bundesrat mit der Covid-19-Verordnung 2 eine neue Pflicht für Arbeitgeber eingeführt. Gemäss dieser Verordnung haben Arbeitgeber «besonders gefährdeten Personen» die Möglichkeit zu geben, ihre Arbeit von zu Hause aus zu erledigen. Dazu treffen sie geeignete organisatorische und technische Massnahmen. Können Arbeitstätigkeiten aufgrund der Art der Tätigkeit oder mangels realisierbarer Massnahmen nur am üblichen Arbeitsort erbracht werden, so sind die Arbeitgeber verpflichtet, mit geeigneten organisatorischen und technischen Massnahmen die Einhaltung der Empfehlungen des Bundes betreffend Hygiene und sozialer Distanz sicherzustellen. Falls ein Arbeitgeber die genannten Vorgaben nicht erfüllen kann, muss er der «besonders gefährdeten Person» den Lohn weiterhin bezahlen (vgl. Art. 10c der Covid-19-Verordnung 2).
Als «besonders gefährdete Personen» gelten Personen ab 65 Jahren und Personen, die insbesondere folgende Erkrankungen aufweisen: Bluthochdruck, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, chronische Atemwegserkrankungen, Erkrankungen und Therapien, die das Immunsystem schwächen, sowie Krebs.
In jedem Fall sollten die Empfehlungen der Behörden und die in den Massnahmen des Bundesrates definierten Verbote und Vorgaben eingehalten werden. Die Behörden haben verschiedene Informationen, Empfehlungen und Merkblätter zur Verfügung gestellt. Das Bundesamt für Gesundheit hat insbesondere das «Merkblatt für Arbeitgeber Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (COVID 19)» publiziert. Dieses Merkblatt betrifft Arbeitssituationen, in denen die Arbeitnehmer relativ wenig mit infizierten Personen in Berührung kommen. In anderen Arbeitssituationen, z.B. im Gesundheitssektor, können strengere und aufwendigere Massnahmen erforderlich sein. In diesem Merkblatt werden als Schutzmassnahmen die Folgenden aufgeführt:
- Einhaltung von Abstandsregeln und maximalen Kontaktzeiten zwischen Personen
- Ermöglichung von Home Office, wo möglich
- Allgemeine Distanz am Arbeitsplatz (Raumorganisation, Trennscheiben, versetzte Pausenzeiten, Bodenmarkierungen zur Abstandseinhaltung)
- Einhaltung von Hygienemassnahmen
- Sicherstellung der Einhaltung der Massnahmen
Das Bundesamt für Gesundheit hat auf seiner Homepage auch «Empfehlungen für die Arbeitswelt» zur Verfügung gestellt und empfiehlt den Betrieben, ihr Betriebskontinuitätsmanagement zu aktivieren. Als Grundlage für Letzteres stehen das «Handbuch für die betriebliche Vorbereitung» (Pandemieplan) und das FAQ des SECO zur Verfügung.
In der Regel wird der Zeitpunkt der Ferien einvernehmlich geregelt. In grösseren Betrieben werden oft auch Ferienpläne erstellt. Falls eine einvernehmliche Regelung des Ferienzeitpunkts nicht möglich ist, kann der Arbeitgeber den Zeitpunkt der Ferien aufgrund des Gesetzes einseitig bestimmen. Dabei hat er jedoch auf die Wünsche des Arbeitnehmers soweit Rücksicht zu nehmen, als dies mit den Interessen des Betriebes vereinbar ist. Wenn der Arbeitgeber den Zeitpunkt der Ferien einseitig bestimmen möchte, hat sich in der Praxis mehrheitlich eine Ankündigungsfrist von drei Monaten durchgesetzt. Diese Ankündigungsfrist gilt dabei auch für die Anordnung allfälliger Zwangsferien.
Falls der Ferienzeitpunkt bereits festgelegt wurde, kann der Zeitpunkt in der Regel nicht einseitig widerrufen werden. Der Arbeitgeber hat die Ferien zu diesem Zeitpunkt grundsätzlich zu gewähren und der Arbeitnehmer hat die Ferien zu beziehen. Solange der Erholungswert der Ferien gewährleistet ist, darf der Arbeitnehmer den Ferienbezug nicht einseitig ablehnen, nur weil eine geplante Reise nicht angetreten werden kann.
Aus dringlichen und unvorhergesehenen, betrieblichen Bedürfnis muss jedoch eine Änderung des Ferienzeitpunkts, in Ausnahmefällen sogar ein Rückruf aus den Ferien, akzeptiert werden. Falls der Arbeitgeber den Ferienzeitpunkt ändert oder den Arbeitnehmer aus den Ferien zurückruft, hat er dem Arbeitnehmer den daraus entstandenen Schaden jedoch zu ersetzen.
Im Zusammenhang mit dem Coronavirus ist somit eine kurzfristige Anordnung von Zwangsferien nicht zulässig. Je nach betrieblicher Situation kann sich jedoch eine Verschiebung oder in Ausnahmefällen sogar ein Rückruf aus den Ferien rechtfertigen, wobei der Arbeitgeber für den dem Arbeitnehmer daraus entstandenen Schaden ersatzpflichtig ist. Aufgrund der derzeitigen Situation, der vom Bundesrat getroffenen Massnahmen und den vielen Reiseverboten kann man sich die Frage stellen, ob der Erholungszweck der Ferien überhaupt noch gewährleistet ist. Solange jedoch noch keine Ausgangssperre verhängt worden ist, ist davon auszugehen, dass der Erholungszweck der Ferien gegeben ist.
Der Bundesrat hat verschiedene Massnahmen zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen des Coronavirus beschlossen. Dazu gehören insbesondere die Ausweitung und Vereinfachung der Kurzarbeit, Liquiditätshilfen für Unternehmen, Bürgschaften für KMU, Entschädigung bei Erwerbsausfällen für Selbstständige und für Angestellte. An dieser Stelle wird der Fokus auf die Kurzarbeit gelegt.
Als Kurzarbeit wird die vorübergehende Reduktion der Arbeitszeit oder Betriebseinstellung mit entsprechender Lohnkürzung bezeichnet. Falls sämtliche Voraussetzungen erfüllt sind, wird der durch die Kurzarbeit resultierende Lohnausfall im Umfang von 80 Prozent durch die Arbeitslosenversicherung mittels der Kurzarbeitsentschädigung ersetzt.
Arbeitnehmer, deren normale Arbeitszeit verkürzt oder deren Arbeit ganz eingestellt ist, haben grundsätzlich Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung, wenn
- sie für die Versicherung beitragspflichtig sind oder das Mindestalter für die Beitragspflicht in der AHV noch nicht erreicht haben,
- der Arbeitsausfall anrechenbar ist,
- das Arbeitsverhältnis nicht gekündigt ist und
- der Arbeitsausfall voraussichtlich vorübergehend ist und erwartet werden darf, dass durch Kurzarbeit ihre Arbeitsplätze erhalten werden können.
Ein Arbeitsausfall ist anrechenbar, wenn er auf wirtschaftliche Gründe zurückgeht, unvermeidbar ist und je Abrechnungsperiode mindestens 10 Prozent der Arbeitsstunden ausmacht, die von den Arbeitnehmern des Betriebes normalerweise insgesamt geleistet werden.
Im Zusammenhang mit dem Coronavirus kann grundsätzlich in den folgenden zwei Fällen eine Kurzarbeitsentschädigung beantragt werden:
- Die Arbeitsausfälle sind auf behördliche Massnahmen oder andere nicht vom Arbeitgeber zu vertretende Umstände zurückzuführen. Dies unter der Voraussetzung, dass die betroffenen Arbeitgeber die Arbeitsausfälle nicht durch geeignete, wirtschaftlich tragbare Massnahmen vermeiden oder keinen Dritten für den Schaden haftbar machen können.
- Die Arbeitsausfälle sind auf wirtschaftliche Gründe (Nachfragerückgänge infolge von Infizierungsängsten) zurückzuführen und unvermeidbar.
Zu beachten ist jedoch, dass der blosse Hinweis auf das Coronavirus für eine Beantragung der Kurzarbeitsentschädigung nicht ausreicht. Die Arbeitgeber müssen glaubhaft darlegen, dass die in ihrem Betrieb eingetretenen bzw. zu erwartenden Arbeitsausfälle auf das Auftreten des Coronavirus zurückzuführen sind (vgl. Publikation «Neues Coronavirus» des Staatssekretariates für Wirtschaft SECO).
Der Bundesrat hat im Zusammenhang mit der Beantragung der Kurzarbeit und der Kurzarbeitsentschädigung eine Vielzahl von Erleichterungen und Ausweitungen beschlossen und auch festgelegt, dass Arbeitsausfälle im Zusammenhang mit dem Coronavirus als vorübergehend und unvermeidbar gelten (vgl. Weisung 2020/02 des Staatssekretariats für Wirtschaft SECO). So können neu auch Kurzarbeitsentschädigungen für Angestellte mit einem befristeten Arbeitsvertrag und für Personen im Dienst einer Organisation für Temporärarbeit ausgerichtet werden und der Arbeitsausfall soll auch für Personen, welche in einem Lehrverhältnis stehen, anrechenbar sein. Zudem können neu auch für arbeitgeberähnliche Angestellte Kurzarbeitsentschädigungen ausgerichtet werden. Als arbeitgeberähnliche Angestellte gelten etwa Gesellschafter einer GmbH, welche als Angestellte gegen Entlohnung im Betrieb arbeiten. Auch Personen, welche im Betrieb des Ehegatten bzw. eingetragenen Partners mitarbeiten, können neu von Kurzarbeitsentschädigungen profitieren. Neu wird auch die Karenzfrist aufgehoben. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber nicht mehr einen bestimmten Anteil an der Kurzarbeitsentschädigung selbst zu tragen hat. Schliesslich müssen auch allfällig vorhandene Überstunden der Arbeitnehmer nicht mehr kompensiert werden, bevor von Kurzarbeitsentschädigungen profitiert werden kann.
Soweit ersichtlich, gelten aufgrund der Pandemie Situation keine zusätzlichen Bestimmungen betreffend Kündigungen. Kündigungen sind also in der aktuellen Situation zulässig, wobei jedoch weiterhin die Bestimmungen über missbräuchliche Kündigungen und Kündigungen zur Unzeit gelten. Aufgrund dessen sind auch die Bestimmungen betreffend Massenentlassungen weiterhin zu beachten.
Hinweis: Die vorliegenden Informationen dienen als reine Übersicht und sind nicht abschliessend zu verstehen. Sie ersetzen nicht eine eingehende juristische Prüfung im Einzelfall.
Dieser Artikel wurde uns von Serge Biaggi, Rechtsanwalt bei Schmid Rechtsanwälte in Zürich zur Verfügung gestellt. Hier geht's zum Originalartikel.
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