
Gut vernetzt ist halb gewonnen
Die IT- und Engineering-Freelancer in der Schweiz bekommen gutes Geld für ihre Arbeit und haben in der Regel – je nach Ausbildung, Erfahrung und Einsatzgebiet – keine grosse Mühe, Projekte an Land zu ziehen. Auch wenn sich einige Wenige schwer tun, passende Projekte zu finden, die Mehrheit von 71,7 Prozent ist der Ansicht, dass es für sie in der Schweiz genügend Projekte auf dem Markt gibt. Vor allem IT-Architekten, Business- und Prozessanalysten sowie Software-Entwickler und -Programmierer freuen sich nach wie vor über eine gute Auftragslage.
Doch trotz hoher Bezahlung und ausreichender Anzahl an Projekten gibt es auch für helvetische Freischaffende Stolpersteine, die GULP in seiner Freelancer Studie untersucht hat. Wie gehen die Freelancer beispielsweise mit Mehrkosten um, wie kommen sie überhaupt an ihre Projekte, wie gestalten sie ihren Stundensatz im Auslandseinsatz und wie transparent sind sie generell bei der Veröffentlichung ihrer Stundenansätze?
Fast zwei Drittel der Studienteilnehmer erhalten ihre Aufträge direkt von ihren Kunden. Gut vernetzt zu sein, was die meisten sind, ist ganz klar von Vorteil: Über 60 Prozent der Direktaufträge werden über das persönliche Netzwerk generiert. Wer einmal den Fuss beim Kunden in der Tür und hochwertige Arbeit abgeliefert hat, kann ziemlich sicher sein, mit Folgeaufträgen versorgt oder weiterempfohlen zu werden: Knapp 19 Prozent kommen über Empfehlungen an ihre Projekte, weitere 13 Prozent holen sich Folgeaufträge aus ihrem letzten Projekt.
Aber auch indirekt kommen viele Freelancer (40 Prozent) an neue Projekte. Eine Mehrheit von 38 Prozent durch einen Personaldienstleister. 21 Prozent wurden von einem Third-Party-Manager oder Managed-Service-Provider an Bord geholt und knapp 11 Prozent von klassischen IT-Beratungsunternehmen rekrutiert. 12 Prozent der Projekte wurden zudem über Online-Portale gefunden.
Die Schweizer Freelancer bedienen vornehmlich den Heimatmarkt. Aus den unterschiedlichsten Gründen kann auch ein Auslandseinsatz anstehen. Zum einen haben einige (28,3 Prozent) Schwierigkeiten, Projekte an Land zu ziehen. Vor allem für Wirtschaftsinformatiker, Projektmanager sowie System-Ingenieure und -Architekten ist der Schweizer Markt oft zu klein. Zudem werden zunehmend Aufträge an grosse ICT-Dienstleister oder sogar ins Ausland vergeben.
Weitere genannte Gründe, warum Einige Mühe haben, an genügend Projekte zu kommen, sind zum Beispiel: Kosteneinsparungen, Konsolidierung, v.a. in der Bankenbranche, Misstrauen gegenüber Freelancern, zu wenige globale Unternehmen in der Schweiz, fixe Berater, undurchschaubare Vergabeprozesse, grosse Konkurrenz, grosse Anbieter grasen alle Projekte ab, träge, unflexible Kunden und gesetzliche Regelungen.
Für Einsätze im Ausland verlangen 45,5 Prozent den selben Stundensatz wie in der Schweiz und nur 14 Prozent passen diesen dem Länderniveau an, 15 Prozent schlagen zudem Auslandsspesen auf. Da die meisten auch ihren Geschäfts- und Lebensmittelpunkt hierzulande haben, ist das nur konsequent. Und so lange auch bei unseren Nachbarn grosser Fachkräftemangel herrscht, dürften auch ausländische Arbeitgeber die vergleichsweise hohen Schweizer Stundensätze zahlen.
Ein Auslandsaufenthalt ist natürlich immer auch mit finanziellem Mehraufwand, zum Beispiel für Unterkunft und Reisekosten, verbunden. Die Mehrheit geht damit pragmatisch, unkompliziert und kundenfreundlich um: Knapp 20 Prozent verstehen ihren Stundensatz als Fixpreis und verrechnen Mehrkosten überhaupt nicht – auch wenn der Einsatzort weiter von ihrem Wohnort entfernt ist. Andere suchen einen Mittelweg: Etwa 5 Prozent schlagen einen gewissen Betrag auf den Stundensatz auf. Für rund 17 Prozent sind Mehrkosten gar kein Thema, da sie nur Projekte aus ihrer Region annehmen. Lediglich 15 Prozent stellen die angefallenen Kosten dem Kunden direkt in Rechnung. Der Rest arbeitet sowieso immer auswärts und muss über Aufschläge gar nicht erst nachdenken.
Was die Veröffentlichung ihrer Stundensätze anbelangt, sind die IT- und Engineering-Freelancer nur bedingt transparent. Immerhin trägt über die Hälfte ihren Stundensatz in die Profile auf öffentlichen Portalen wie GULP ein. Eine deutliche Mehrheit davon als All-inclusive-Stundensatz mit Spesen und Reisekosten.
44 Prozent veröffentlichen hingegen ihren Stundensatz lieber nicht. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Bei den meisten stecken taktische Überlegungen dahinter, die sie den Satz flexibel nach Projekt, Auftraggeber und Rahmenbedingungen festlegen lassen.
Fazit: Für das Gros der Freelancer hat der Schweizer Markt genügend interessante Projekte. Wer sich mit seiner Arbeit bewährt und über ein gut funktionierendes Netzwerk verfügt, kann sich über Auftragsmangel nicht beschweren. Wem der helvetische Markt zu klein wird, findet im benachbarten Ausland Projekte, die nicht selten ähnlich gut entlohnt werden wie in der Schweiz.
Lesermeinungen zum Artikel
1.2 von 5 Sternen | Insgesamt 25 Bewertungen und 0 Kommentare