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Wie sich der Stundenlohn erhöhen lässt

08.10.2019
GULP Redaktion
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Wenn der Stundensatz zu tief ist, liegt das nicht unbedingt an schlechter Qualifikation oder geringer Erfahrung. Eine gute Marktübersicht, die eigenen Kosten im Griff zu haben und souveränes Auftreten bei Verhandlungen sind goldwert.

Wie kommt es, dass einige IT- und Engineering-Freelancer Spitzenstundensätze von 250 Franken und mehr absahnen, während andere honorartechnisch irgendwo unter ferner liefen versuchen mehr schlecht als recht über die Runden zu kommen?

Die GULP Stundensatzumfrage 2019 hat uns gezeigt, dass dafür viele Faktoren wie etwa Ausbildung/Abschluss/Titel, Fachrichtung/Einsatzgebiet, Erfahrung/Alter, Grösse des Auftragsgebers, Konkurrenz oder das Geschlecht eine Rolle spielen können. Hohe Honorare beruhen aber nicht immer zwangsläufig auf einer speziellen Qualifikation oder besonders grosser Praxiserfahrung. Und auch wer fleissig, engagiert und talentiert ist, muss nicht unbedingt gut verdienen. Die Besserverdiener unter den Freelancern können oft einfach geschickter argumentieren, haben einen besseren Marktüberblick, ihre Kosten im Griff und wissen, was man wofür verlangen kann.

Folgende Tipps sollen dabei helfen, den Stundensatz Schritt für Schritt zu erhöhen und sich optimal beim Kunden zu positionieren.

Reden Sie über Geld

Über Geld, sprich konkret über Honorare und Gehälter zu reden, ist in der Schweiz noch immer ein Tabuthema. Wer weiss, was sein Kollege bekommt, den können, wenn es mehr ist, als man selbst verdient, schnell einmal Neid und Missgunst überkommen. Frei nach dem Motto ‘was ich nicht weiss, macht mich nicht heiss’, wollen es Viele daher gar nicht wissen.

Ein Fehler, denn Ihre Kunden wissen in der Regel sehr gut, was Ihre Konkurrenz verlangt und auch, wie viel andere Unternehmen Freelancern bezahlen. Mit diesem Wissen lassen sich die Preise seitens der Auftraggeber leicht drücken. Freiberufler, die keine Ahnung haben, was ihre Konkurrenten verlangen, können nicht vergleichen und sich dadurch argumentativ auch schlechter positionieren. Recherchieren Sie zu Ihrer Branche, Altersgruppe, Ihrer Fachrichtung und finden Sie heraus, was Ihre Kollegen mit ähnlicher Qualifikation und Erfahrung verdienen. Eine anonymisierte Befragung von zehn Kollegen/Innen aus Ihrem Umfeld, wie viel sie mit welchen Projekten bei welchen Kunden aus welcher Branche verdient haben, reicht normalerweise aus, sich eine kleine Marktübersicht zu beschaffen. Schützenhilfe zum Stundensatzvergleich liefert hier auch unsere Studie.

Den Stundensatz selbst bestimmen

Geben Sie das Zepter, kurz Verantwortung und Kontrolle, nicht aus der Hand. Den Kunden zu fragen, was er zu zahlen gedenke, ist ein suboptimaler Einstieg in Honorarverhandlungen. Der Kunde kann den Aufwand meist nicht richtig einschätzen und ist in der Regel bemüht, seine Ausgaben so tief wie möglich zu halten. Haben Sie einem tiefen Stundensatz erst einmal zugestimmt, lässt es sich schwer zurückkrebsen. Sie wissen, was Ihre Leistung kostet und wert ist.

Gehen Sie selbstbewusst und ohne schlechtes Gewissen in die Honorarverhandlung und lassen sich von Aussagen wie «Das hat aber Ihr Vorgänger günstiger angeboten» nicht beirren. Es gibt wahrscheinlich einen Grund, warum Ihr Vorgänger nicht mehr angefragt wird. Natürlich sollten Sie keine utopisch hohen Stundensätze fordern, jedoch Ihr Angebot erst einmal mit dem höchstmöglichen Wert vorbringen – mit dem Preis runtergehen können Sie immer noch. Lassen Sie also nicht den Kunden entscheiden, setzen Sie sich eine Unter- und Obergrenze für Ihr Honorar und weichen Sie, wenn möglich, nicht davon ab.

Bei Neukunden lohnt es sich auch mal zu zocken. Wie hoch Sie pokern können, hängt auch davon ab, aus welcher Branche und Region der Kunde kommt und wie gross sein Unternehmen und somit sein Budget ist.

Marktübersicht und Selbsteinschätzung

Um einen Stundensatz festzulegen ist es gut zu wissen, wie viel Sie verlangen können (Marktüberblick) und wollen (Selbsteinschätzung Ihrer Skills). Zudem sollten Sie sich vorher über Ihre eigenen Kosten im Klaren sein. Sie benötigen einen genauen Überblick über private wie geschäftliche Ausgaben, inkl. Berücksichtigung von Urlaub, Krankheit und unvorhergesehener Ausfälle. Daraus ergibt sich der Stundensatz, den Sie auf jeden Fall verdienen müssen, ohne draufzulegen. Doch rechnen Sie auch einen Gewinn mit ein.

Bauen Sie in Projektkosten finanzielle Puffer ein. Gerne vereinbaren Kunden einen Festpreis – oft zum Nachteil des Freelancers, der, sollte das Projekt aus dem Ruder laufen, mit Zusatzarbeit draufzahlt. Zudem sind Extra-Leistungen schwer definierbar.

Professionelle Distanz …

Auftraggeber können anfangs das Projekt selten schon genau definieren, weil sie entweder noch gar nicht wirklich wissen, was sie wollen oder benötigen und/oder weil das geplante Projekt noch diverse Abstimmungsrunden im Business und in der Chefetage durchlaufen muss.

Verhandeln Sie auf Augenhöhe, definieren Sie klare Ziele, beraten Sie, lassen Sie sich aber in der ersten Verhandlungsrunde noch nicht zu einem Kostenvoranschlag, womöglich für ein komplettes Projekt, hinreissen. Eine grobe Aufwandeinschätzung genügt für den Anfang vollkommen. Details lassen sich später klären.

Bleiben Sie professionell, offen und freundlich, werden Sie aber nicht privat. Sie benötigen eine gewisse Distanz, um auf der geschäftlichen Ebene vernünftige Verhandlungen durchführen zu können.

… und schwierige Auftragssituationen

Oftmals besteht seitens des Auftraggebers Zeitdruck, was zu vorschnellen Spontanzusagen führen kann. Steht ein Kunde mit einem Projekt tatsächlich unter Zeitdruck, verlangen Sie mehr für Ihre Leistung, denn Sie werden möglicherweise unter Stress abliefern müssen. Hin und wieder besteht schon zum Zeitpunkt der Auftragsverhandlung Aussicht auf Folgeaufträge von grösserem Ausmass. Diese Möglichkeit wird gerne ins Feld geführt, um den Erstauftrag kostengünstiger zu erhalten. Lassen Sie sich die Folgeaufträge genau definieren. Kann dies der Auftraggeber nicht, sagen Sie im schlimmsten Falle einen Auftrag besser ab.

Neuverhandlungen mit Bestandskunden bergen immer ein Risiko. Hier ist besonderes Fingerspitzengefühl gefragt. Wenn Sie den Stundensatz erhöhen wollen, müssen Sie das gut begründen, damit Sie den Kunden nicht verprellen und dieser nicht nach einem günstigeren Freelancer Ausschau hält. Erhöhen Sie nicht ohne Vorankündigung. Bauen Sie einen Spielraum ein, falls Ihr Kunde nicht ganz Ihrem neuen Stundensatzwunsch entsprechen will.

Zeigen Sie, worin Sie und Ihre Dienstleistungen sich von anderen Freelancern unterscheiden und abheben. Sie verstehen den Kunden und kennen bereits seine Knackpunkte und Problemstellungen in Projekten. Bringen Sie neue Ideen auf den Tisch, erklären Sie, wo und wann Sie effizienter, besser, passgenauer arbeiten oder bereits gearbeitet haben. Regelmässige persönliche Kommunikation oder hin und wieder ein kleines Service-Extra bringen dem Kunden eine Preiserhöhung näher.

Sollten Sie ein Folgeprojekt selbst entwickelt oder vorgeschlagen haben, werden Sie den Kunden sowieso von einem höheren Stundenlohn überzeugen. Generell ersparen Sie dem Kunden Zeit (und somit auch Geld), wenn er auf die Suche nach einem neuen Freelancer verzichtet.

Bei Serviceverträgen oder Leistungen, die sich monatlich, vierteljährlich usw. wiederholen, ist es am einfachsten, eine Preiserhöhung zum Quartalsanfang oder Jahreswechsel vorzunehmen.

Der eigene Auftritt

Wer sich beim Kunden durch gute Dienstleistungen etabliert hat, kann meist über Folgeaufträge nicht klagen und ist ganz gut im Geschäft. Aber auch Auftraggeber haben Krisen oder gehen sogar in Konkurs. Oft ist auch plötzlich Sparkurs angesagt, weil die Führungsebene ausgetauscht wurde. Planen Sie also immer Ausfälle seitens Ihrer Kunden ein und rechnen Sie damit, permanent neu akquirieren und überzeugen zu müssen.

Ein vernachlässigter Internetauftritt kann Ihnen hier das Genick brechen. Weder zu wenig Zeit noch zu wenig Geld sind Argumente, die eigene Webseite stiefmütterlich zu behandeln. Der erste Eindruck zählt und Ihre Webseite ist nun mal Ihr Aushängeschild. Sie haben gar keine Webseite? Zeit, sich eine zuzulegen. Qualifikationen, Leistungen, Referenzen, Case Studies etc. liefern einen exzellenten Überblick über Ihr Können und Ihr Angebot. Lassen Sie Ihre Kunden mit Zitaten zu Wort kommen. Zeigen Sie Ihre Erfolge. All das schafft Vertrauen in Ihre Arbeit.

Fazit: Wenn Sie mehr verdienen wollen, machen Sie eine Profilanalyse bei sich selbst und definieren Sie, auf welche Gebiete Sie sich künftig spezialisieren wollen. Bilden Sie sich in diesen Bereichen weiter, damit Sie immer up-to-date sind. Analysieren Sie regelmässig den Markt: Was verlangt mein Umfeld für ähnliche Leistungen, welche Branche zahlt was und welche Themen werden in den nächsten Jahren an Bedeutung gewinnen? Pflegen Sie Ihren Auftritt als Unternehmer. Treten Sie in Verhandlungen selbstsicher auf, reagieren Sie flexibel, aber lassen Sie sich nicht verbiegen. Wer sich unter Wert verkauft, verliert den Respekt der Kunden und vor sich selbst.

Schweizer GULP Freelancer Studie 2020 zum Download

Wie sehen die Bedingungen für Freelancer aus? Welche Kompetenzen sind besonders gefragt und wer bestimmt das Pricing – Freelancer oder Auftraggeber?  An der Studie nahmen insgesamt 440 IT- und Engineering-Freelancer teil. 

  • Trends und Highlights  
  • Auswertungen zu den Stundensätzen
  • Projektbedigungen und Preispolitik

  • Beobachtungen zu den Freelancern

  • Demografische Eckdaten

 

Jetzt die Schweizer Freelancer Studie 2020 herunterladen!

Lesermeinungen zum Artikel

1.3 von 5 Sternen | Insgesamt 26 Bewertungen und 1 Kommentar

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    Torsten Hollerbach am 15.10.2019 um 18.13 Uhr

    Sören hat mit dem Artikel direkt das Wort zum Sonntag angestimmt. Genau dies ist die Problematik und ich aus eigener Erfahrung weiss das genau. Auch Sätze wie: Das zahlt der Kunde nicht! Warum werde ich dann überhaupt nach meinem Satz gefragt? Ich habe meinen Satz und wenn man sich gegen den Satz entscheidet, der hat eben Pech. Super Artikel, Sören!

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