Mit unseren Tipps setzen Freelancer ihre Honorarvorstellungen durch
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Stundensätze – So setzen Sie Ihre Honorarvorstellungen auch in der Corona-Krise durch

28.07.2021
Gerd Meyring – freier Autor
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Macht der Projektmarkt derzeit nur eine Verschnaufpause oder leidet er an schwerer Atemnot? Nachdem IT-Freelancer jahrelang immer höhere Stundensätze durchsetzen konnten, verharren ihre Honorare seit Beginn der Corona-Krise auf dem annähernd gleichen Niveau. Ob sie mit Java, C++, Cobol oder einer anderen Sprache arbeiten, macht dabei keinen Unterschied, das zeigt der GULP Stundensatzkalkulator

Der Stillstand kommt nicht von ungefähr. Der gesamten IT-Branche ist im Zuge der Krise die Luft ausgegangen. Das belegt der vom Münchner ifo Institut für Wirtschaftsforschung zusammen mit dem Digitalverband Bitkom erstellte Bitkom-ifo-Digitalindex. Nachdem die Pandemie die Stimmung in den rund 400 für das Barometer befragten Unternehmen im Sommer 2020 an den Rand der Depression getrieben hatte, blickten sie im Oktober zwar wieder so zuversichtlich in die Zukunft wie etwa zu Beginn des Jahres 2019. Jedoch war ihre aktuelle Geschäftslage in den vergangenen zehn Jahren noch nie so schlecht wie momentan. 

Daher ist unklar, ob Freelancer bald wieder höhere Stundensatzforderungen durchsetzen können. Freelancer, die wissen, wie sie psychologisch geschickt über die Höhe ihres Honorars verhandeln, muss die dünne Luft auf dem IT-Projektmarkt jedoch nicht stören. Sie setzen ihre Honorarvorstellungen meist selbstbewusst durch. 

Wir haben daher zehn Empfehlungen für Sie zusammengestellt, mit denen Sie Kunden auch in der Corona-Krise von Ihrem Stundensatz überzeugen können:

1. Bereiten Sie sich gründlich vor

Je besser Sie sich vor dem Gespräch mit einem möglichen neuen Auftraggeber über diesen, sein Unternehmen und sein Projekt informiert haben, desto genauer können Sie Ihren Stundensatz kalkulieren und desto sicherer werden Sie sich während der Verhandlungen fühlen. Bringen Sie in Erfahrung, wer genau Ihr Gesprächspartner sein wird und informieren Sie sich bei Xing, LinkedIn oder Facebook über ihn. Fragen Sie befreundete Freelancer, ob sie schon mal für den Kunden gearbeitet haben, welche Erfahrungen sie dabei gemacht und wie viel sie für ihre Arbeit abgerechnet haben. 

Tipp: Um sich vorab möglichst gut informieren zu können, sollten sie beim ersten Kontakt mit einem Kunden nie eine konkrete Preisvorstellung nennen. Geben Sie diese auch während der Verhandlung nicht preis, ohne zuvor möglichst viele Informationen über das Projekt erfragt zu haben.

2. Rechtfertigen Sie nicht Ihren Preis, erklären Sie Ihre Leistung

In einer Verhandlung über Ihren Stundensatz verkaufen Sie nicht Ihren Preis, sondern Ihre Leistung. Sobald Sie anfangen Ihre Stundensatzforderung zu rechtfertigen, überlassen Sie Ihrem Gegenüber die Kontrolle über das Gespräch. 

Machen Sie sich daher vorab klar, mit welchen Argumenten und Belegen Sie darlegen können, dass Ihre Leistung den Preis wert ist, den Sie dafür verlangen. Bringen Sie idealerweise Screenshots oder Demos von Produkten mit, die Sie erstellt haben. Fragen Sie ausserdem bei früheren Auftraggebern nach, ob Sie diese als Referenz angeben dürfen. Schlagen Sie Ihrem Gesprächspartner vor, dort nachzufragen, wie zufrieden die Kunden mit Ihnen und Ihrer Leistung waren. 

Tipp: Vertreten Sie Ihre Kompetenz und Erfahrung während der Verhandlung selbstbewusst. So überzeugen Sie Kunden, dass sie für den „hohen“ von Ihnen berechneten Stundensatz auch ein hohes Mass an Qualität bekommen. Wenn Sie sich bei Ihrem Honorar zu weit drücken lassen, könnte Ihr Gegenüber annehmen, Sie seien von Ihrer eigenen Leistung nicht überzeugt. 

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3. Berechnen Sie Ihren Stundensatz bei jedem Projekt neu

Ein Freelancer muss mindestens eineinhalb mal soviel verdienen wie ein festangestellter Arbeitnehmer. Nur dann kann er sich ausreichend sozial absichern und berücksichtigt in seiner Kalkulation eventuelle Krankheitstage und seinen Urlaub. 

Diesen Grundsatz sollten Sie in Ihrer Kalkulation ebenso berücksichtigen wie Reise- und Übernachtungskosten sowie die Stunden, die Sie mit Fahrten zu Ihrem Auftraggeber und zurück verbringen. Diese Ausgaben fallen geringer aus, wenn sie im Home Office statt im mehrere Hundert Kilometer entfernten Firmensitz Ihres Kunden arbeiten können. 

Da Sie bei jedem Projekt andere Rahmenbedingungen haben, sollten Sie auch Ihren Stundensatz bei jedem Auftrag neu kalkulieren. Denn wenn Sie genau ermittelt haben, aus welchen Positionen sich Ihr Honorar zusammensetzt, können Sie Interessenten nicht nur eine nackte Zahl nennen. Sie können auch erklären, wie diese zustande kommt. Transparenz ist immer ein stichhaltiges Argument

Tipp: Nennen Sie bei der Frage nach Ihrem Stundenpreis keine runden Beträge. Das verleitet Kunden dazu, zu verhandeln. Eine Forderung von 94,25 Schweizer Franken wirkt dagegen professionell und vermittelt den Eindruck, dass Sie genau gerechnet haben. 

4. Legen Sie eine Untergrenze für Ihre Stundensatzforderung fest – und halten Sie sich daran!

Auch wenn Aufträge in der Corona-Krise nicht mehr so leicht zu bekommen sind wie davor, lohnt es sich nicht, zu jedem Preis zu arbeiten. Denn wenn Sie sich in einem Projekt unterbezahlt fühlen, macht Sie das nicht nur unzufrieden. Unter Umständen zahlen Sie auch drauf und gefährden Ihren finanziellen Erfolg. 
Sie sollten in Preisverhandlungen auch nicht davon ausgehen, dass ein Auftraggeber mit Ihnen abschliesst, nur weil Sie ihm bei Ihren Honorarforderungen besonders weit entgegen kommen. Im Gegenteil: Dadurch kann leicht der Eindruck entstehen, Sie seien selbst nicht vom Wert Ihrer Arbeit überzeugt. 

Schlagen Sie auf Ihren genau kalkulierten Stundensatz daher einen Verhandlungspuffer auf und legen Sie vor dem Gespräch eine Untergrenze für Ihr Honorar fest. Unterschreiten Sie diese auf keinen Fall!

Tipp: Ihre Schmerzgrenze finden Sie, wenn Sie sich die Frage stellen, was schlimmsten Fall passieren könnte, wenn Sie den Auftrag nicht bekommen: Fragen Sie sich auch, zu welchem Einsatz Sie bereit sind, um den Job zu bekommen.

5. Überlegen Sie, wo Sie Kunden entgegenkommen können

Da Ihr Stundensatz fest steht, können Sie mit einem Projektanbieter nur über die übrigen Konditionen verhandeln. Überlegen Sie sich daher, ob Sie einem neuen Kunden bei den Zahlungsbedingungen, Ihrem Verpflegungsmehraufwand oder der Zahl der fest und flexibel gebuchten Einsatztage entgegenkommen können. 

Tipp: Je genauer Sie sich vor dem Gespräch über das in Frage stehende Projekt erkundigt haben, desto leichter wird es Ihnen fallen, Verhandlungsmasse zu bilden.

6. Welche weiteren Vorteile bringen Ihnen der Kunde und sein Projekt?

Ihr persönlicher Verhandlungsspielraum hängt auch davon ab, welche Vorteile Ihnen der angebotene Auftrag neben dem Honorar noch bringt. Können Sie etwa einen Stammkunden an sich binden, wenn Sie für diesen zu einem etwas geringeren Stundensatz arbeiten? Oder hat das Projekt eine verhältnismässig lange Laufzeit? Dann gewinnen Sie Planungssicherheit, wenn Sie den Job annehmen. Zudem sparen Sie sich Zeit und Kosten, da Sie nicht so schnell wieder einen neuen Auftrag akquirieren müssen. 

Tipp: Vermeintliche „Nebenaspekte“ eines Projekts lassen sich auch in harte Schweizer Franken umrechnen. Läuft ein angebotener Auftrag beispielsweise über ein ganzes Jahr, lohnt es sich erst dann, vier Wochen länger auf ein attraktiveres Projekt zu warten, wenn sie dabei einen um ein Zwölftel – also etwa acht Prozent – höheren Stundensatz abrechnen können. Bei einer Wartezeit von zwei Monaten, muss ein „besserer“ Auftrag schon 16 Prozent mehr in die Kasse bringen. 

7. Verhandeln Sie hart aber herzlich

Je nach Beauftragungsweg werden Sie meist entweder mit einem Vertreter einer Personalagentur oder einem Einkäufer Ihres Kunden über Ihren Stundensatz verhandeln. Beiden ist gemeinsam, dass diese die Entscheidung für Sie als Freelancer gegenüber dem Kunden oder der Fach- und IT-Abteilung rechtfertigen, die das betreffende Projekt im Unternehmen durchführen. Ihr Gesprächspartner ist daher nicht darauf aus, den billigsten Dienstleister zu finden. Er sucht den am besten für das Projekt geeigneten Experten und möchte mit diesem zu marktgängigen Konditionen abschliessen. 

Tipp: Wenn Sie sich dies bewusst machen, können Sie Ihre Kompetenz und Erfahrung sachlich überzeugender darstellen. Sie geraten nicht so leicht in Gefahr, Ihren Stundensatz rechtfertigen zu wollen. Wenn Sie sich diesem  Rechtfertigungsdruck entziehen, fällt es Ihnen leichter, in der Sache hart und im Ton doch verbindlich zu verhandeln.

8. Lassen Sie sich nicht „weichspülen“

Wenn Sie mit der beschriebenen Haltung in das Gespräch gehen, gelingt es Ihnen auch besser, Ihre Leistungen und Ihren Preis sprachlich selbstbewusst vorzustellen. Formulieren Sie Ihre Sätze in klarer und aktiver Sprache, nicht im Konjunktiv. Sagen Sie also nicht, „ich könnte Sie bei dem Projekt mit meiner Erfahrung unterstützen“. Entweder Sie können das, oder nicht. 

Tipp: Entkräften Sie Ihre Argumente nicht mit Phrasen wie „eigentlich“, „normalerweise“ oder „grundsätzlich“.

9. Machen Sie keine Zugeständnisse ohne Gegenleistung

Ein- und Verkäufer werden jahrelang darauf getrimmt, Geschäftspartnern nur dann entgegenzukommen, wenn sie dafür eine Gegenleistung erhalten. Machen auch Sie selbst daher nur dann Zugeständnisse, wenn Ihnen Ihr Gesprächspartner entgegenkommt – etwa, indem er sich auf ein kürzeres Zahlungsziel einlässt, Sie für einen längeren Zeitraum bucht oder sich mit weniger Präsenztagen in seinem Unternehmen zufrieden gibt.

Tipp: Wenn Ihr Verhandlungspartner Zugeständnisse von Ihnen erwartet, ohne selbst welche zu machen, führen Sie ihn im Gespräch dorthin, wo Sie ihn haben möchten. Fragen Sie dazu beispielsweise offen und sachlich, auf welche Leistungen der Projektanbieter verzichten könnte, damit es für ihn günstiger wird. 

10. Lassen Sie die Katze nie zu früh aus dem Sack

Wenn Sie an einen erfahrenen Verhandlungspartner geraten, können Sie sicher sein, dass dieser in seinem Leben schon einige Rhetorik-Schulungen absolviert hat. Er weiss daher, dass Preisverhandlungen zu Ende sind, sobald eine Seite Ihre Vorstellungen auf den Tisch gelegt hat. Benennen Sie Ihren Stundensatz deshalb nicht schon zu Gesprächsbeginn. Auch dann nicht, wenn Sie Ihr Gegenüber danach fragt. Antworten Sie darauf vielmehr mit der Bitte, Ihnen zunächst mehr über das angebotene Projekt zu erzählen. So können Sie Ihrem Gesprächspartner anschliessend darlegen, wie Sie ihn unterstützen können. Erst danach nennen Sie Ihre Preisvorstellung.

Tipp: Es gibt Verhandlungspartner, die Ihren Preis drücken wollen, indem sie von sich aus einen Stundensatz vorschlagen. In diesem Fall gilt der Grundsatz: „Silence is golden“. Schweigen Sie, geniessen Sie die Stille und lassen Sie das Angebot auf sich wirken. Dann reagieren Sie mit einem Gegenangebot oder fragen Sie, wie Ihr Gegenüber auf den von ihm vorgeschlagenen Preis kommt. 

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