Das sind die Gartner Trends 2022
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Das sind die Top-Technologietrends für 2022

15.11.2021
Susann Klossek – Freiberufliche Autorin
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Alljährlich gibt das Marktforschungsunternehmen Gartner seine Liste der für das kommende Jahr zu erwartenden, strategisch wichtigen Technologietrends für die Informatik heraus. In der aktuellen Ausgabe haben die Analyst:innen zwölf Trends ausgemacht, die CIOs und IT-Entscheider:innen dabei unterstützen sollen, ihre drei Hauptziele Digitalisierung, Effizienz und Wachstum umzusetzen.

Bevor sich IT-Verantwortliche jedoch auf die Suche nach den für ihr eigenes Unternehmen relevanten Trends machen, sollten sie sich überlegen, welche Leitgedanken ihr Handeln 2022 bestimmen sollen, sagt David Groombridge, Vice President Analyst bei Gartner Research. So gelte es, IT-Multiplikatoren auszumachen, die Innovation und gleichzeitig Wachstum ermöglichen sowie aufgrund ihrer Skalierbarkeit finanzielle Mittel für digitale Investitionen freisetzen.

Auf Basis der Themen Vertrauensschaffung, Gestaltung des Wandels sowie Wachstumsbeschleunigung ergeben sich für 2022 folgende Trends, die CIOs und IT-Führungskräfte als strategische Partner im Unternehmen positionieren und daher auf keiner IT-Agenda fehlen sollten:

Data Fabric

Die Zahl an Daten- und Anwendungssilos ist in den vergangenen Jahren sprunghaft gestiegen. Jene der qualifizierten Mitarbeiter:innen in Daten- und Analyseteams (D&A) blieb hingegen meist gleich oder sank sogar. Data Fabrics integrieren Datenquellen und auf verschiedene Plattformen und Nutzer verstreute Datensilos. Durch diese flexible Form der Integration von Daten über Plattformen und Geschäftsbereiche hinweg lassen sich Daten überall nutzen, ganz gleich, woher sie kommen. Durch den Einsatz von Analytics lässt sich zudem herausfinden, welche Daten wo genutzt werden. Die Datennutzung lässt sich dynamisch verbessern und der Aufwand für die Datenverwaltung um bis zu 70 Prozent senken. Gartner geht davon aus, dass sich die Zahl der Data-Fabric-Lösungen bis 2024 vervierfachen wird.

Cybersecurity Mesh

Datenschutz ist nach wie vor ein grosses Thema. Zum einen werden die internationalen Gesetze zum Schutz von Daten und Privatsphäre zunehmend strenger, zum andern geht das Vertrauen von Kunden nach Datenschutzvorfällen schnell verloren. Privacy-enhancing Computation (PEC), das persönliche und sensible Informationen auf Daten-, Software- oder Hardwareebene durch Verschlüsselung, auch während der Verarbeitung schützt, ermöglicht Organisationen eine sichere Zusammenarbeit im Bereich Forschung und Analyse über Regionen und Unternehmensgrenzen hinweg. Laut den Marktforschern werden bis 2025 rund 60 Prozent der grossen Firmen eine oder mehrere Techniken zur Verbesserung des Datenschutzes einsetzen.

Daten ziehen sich durch viele Trends für das kommende Jahr, seien aber nur dann von Nutzen, wenn Unternehmen ihnen vertrauen können, so Groombridge. In einem Cybersecurity Mesh (CSMA) – GULP berichtete im Artikel Mit IT-Resilienz raus aus der Krise – sollen alle Cybersecurity-Lösungen und -Services, die ein Unternehmen einsetzt, in eine übergeordnete Architektur integriert und darüber verwaltet werden. Das CSMA hilft also dabei, eine integrierte Sicherheitsstruktur zu schaffen, um alle Systeme unabhängig vom Standort zu schützen. Gartner prognostiziert, dass Unternehmen, die CSMA nutzen, bis 2024 die finanziellen Schäden einzelner Sicherheitsvorfälle im Schnitt um 90 Prozent reduzieren werden.

Privacy-Enhancing Computation

Cloud-Native-Plattformen

Wer wahrhaft digitale Lösungen bereitstellen will, muss sich von so genannten «Lift and Shift»-Migrationen verabschieden, so Gartner. Cloud-Native-Plattformen (CNPs) erlauben es, flexible, agile, elastische und skalierbare As-a-Service-Computing-Funktionen bereitzustellen und somit schneller auf den digitalen Wandel reagieren zu können. Cloud-native-Plattformen sollen laut Gartner bis 2025 bei mehr als 95 Prozent der neuen digitalen Projekte die Grundlage bilden. Dieses Jahr sind es noch weniger als 40 Prozent.

Composable Applications

Anwendungen müssen im sich ständig verändernden Geschäftsumfeld immer wieder schnell und sicher angepasst werden. «Zusammensetzbare» Applikationen zeichnen sich durch hohe Modularität aus. Dadurch lassen sich neue Lösungen schneller erstellen sowie Code einfacher entwickeln und später wiederverwenden. Organisationen, die einen solchen oder zumindest kompatiblen Ansatz verfolgen, werden neue Features voraussichtlich 80 Prozent schneller als ihre Konkurrenten implementieren können, so Gartner.

Decision Intelligence

Entscheidungskompetenz kann den Ausschlag über Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens geben. Dabei handelt es sich um eine Praxismethode, die zur Verbesserung der Entscheidungsfindung eingesetzt wird. Anhand der Methode lernt man, wie Entscheidungen getroffen werden. Diese werden in eine Reihe von definierten Prozessen aufgeteilt. Business-Intelligence- und Analyse-Tools werden dabei genutzt, um sowohl Entscheidungsgrundlagen zu liefern als auch aus früheren Entscheidungen und den dabei begangenen Fehlern zu lernen. Gartner geht davon aus, dass bis 2023 zwei Drittel der grossen Unternehmen Decision Intelligence einsetzen werden, um Wettbewerbsvorteile zu erzielen.

Hyperautomation

Gartner empfiehlt, alles, was in einer Organisation automatisiert werden kann, zu automatisieren. Das Schlagwort lautet daher Hyperautomation. Erfolgreiche Hyperautomationsteams würden sich dabei vor allem auf die Verbesserung der Arbeitsqualität, die Beschleunigung der Geschäftsprozesse sowie die Erhöhung der Agilität bei Entscheidungsprozessen konzentrieren, so Analyst David Groombridge.

KI-Engineering

KI-Anwendungen werden in Deutschland und der Schweiz noch zu selten integriert. Projekte laufen noch häufig ins Leere, nachdem Geld und Zeit dafür verschwendet wurden. Künstliche Intelligenz generiert bis dato häufig auch noch zu wenig Mehrwert in der Praxis. Vor allem Probleme mit Wartung, Skalierbarkeit und Governance bereiten den CIOs Kopfschmerzen. Abhilfe soll laut Gartner das KI-Engineering schaffen. Prognosen zufolge werden jene zehn Prozent der Firmen, die Best Practices für KI-Engineering in den nächsten vier Jahren einführen, einen drei- bis viermal so hohen Mehrwert aus ihren KI-Projekten ziehen als die 90 Prozent, die dies nicht tun.

Distributed Enterprise

Remote und hybride Arbeitsmodelle liegen spätestens seit Corona im Trend. Geografisch verteilte Mitarbeitende und digitale Interaktionen mit Kunden und Kundinnen, Lieferanten und Partnern ziehen umfangreiche technische und Serviceänderungen nach sich. Geschäfts- und Bereitstellungsmodelle ändern sich. Jenen Unternehmen, die künftig verteilte Unternehmensdienste nutzen, prognostizieren die Auguren ein um 25 Prozent schnelleres Umsatzwachstum als ihre Wettbewerber zu erzielen.

Total Experience

Das Konzept Total Experience (TX) kombiniert die Disziplinen Customer Experience (CX), Employee Experience (EX), User Experience (UX) und Multi-Experience (MX). Diese alle Erfahrungen aller Beteiligten einbindende Geschäftsstrategie soll die Kundenzufriedenheit steigern und für grössere Loyalität der Mitarbeitenden gegenüber dem Unternehmen sorgen und letztlich damit Umsatz und Gewinn verbessern.

Autonome Systeme

Umso mehr ein Unternehmen wächst, desto weniger genügen einfache Automatisierungsprozesse oder herkömmliche Programmierung. Autonome Systeme, also selbstverwaltende physische oder auch Softwaresysteme, lernen von ihrer Umwelt und passen ihr Verhalten selbsttätig an. Sie können ihre eigenen Algorithmen dynamisch und ohne externe Softwareaktualisierung ändern und sich schnell an neue Gegebenheiten vor Ort anpassen. Komplexe Sicherheitssysteme arbeiten bereits heute erfolgreich mit autonomen Systemen. Künftig könnten sie beispielsweise auch in Fertigungsmaschinen, Robotern oder Drohnen eingesetzt werden.

Generative KI

Generative künstliche Intelligenz zählt für die Gartner-Expert:innen zu einer der leistungsstärksten KI-Techniken, die auf den Markt kommt. Diese maschinellen Lernmethoden sind in der Lage aus Daten/Vorbildern zu lernen und ähnliche, neue, völlig realistische Artefakte zu erschaffen. Mittels generativer KI lassen sich beispielsweise Softwarecodes erstellen.

Ein grosses Potential sehen die Auguren auch in der Pharmaindustrie, etwa bei der Forschung und Entwicklung von Medikamenten, aber auch bei gezieltem Marketing. Generative KI birgt aber auch Risikopotential für Betrug, Identitätsfälschung oder Desinformation. Trotzdem gehen die Marktforscher:innen davon aus, dass 2025 etwa zehn Prozent (heute: ein Prozent) aller erzeugten Daten auf generative KI entfallen.

Nachhaltigkeit und Verantwortung

Auch andere Unternehmen haben begonnen, die Technologietrends für 2022 zu veröffentlichen. Eine Umfrage des Management- und Technologieberaters BearingPoint unter 1000 IT-Berater:innen ergab folgende Trends:

Responsibility AI: KI-Systeme müssen nicht nur funktionieren, künstliche Intelligenz muss auch fair sein für ihre Nutzer:innen und für Aufsichtsbehörden erklärbar.

Cloud at the Edge: Die Themen Edge-Computing und souveräne Clouds sind nicht ganz neu, gewinnen aber weiter an Bedeutung und bilden einen Gegenpol zur zentralisierten Cloud.

Weitere Themen sind: Cybersecurity Mesh (siehe oben), Embedded Data und Analytics sowie vernetzte Sensoren und Maschinen. Auch AI Edge – Machine Learning, welches nicht mehr in externen Clouds, sondern in lokalen Netzwerken (AI Edge) oder in Sensoren selbst (AIoT/AIxiOT) stattfindet – wird ab kommendem Jahr eine wichtigere Rolle spielen. Neben den technischen Herausforderungen spielen zudem Verantwortung, Nachhaltigkeit und Brand Value eine entscheidende Rolle für jedes Unternehmen.

Der Bericht kann auf der Gartner-Webseite in Englisch bestellt werden.

Gartner Trends: Tipps zur Einführung

Sie stehen bei einzelnen Trends noch ganz am Anfang? In dieser Übersicht finden Sie die jeweils ersten Schritte zusammen gestellt.

Data Fabric: Identifizieren Sie mit Hilfe von Metadatenanalyse, in welchen Bereichen vorrangig Data-Fabric-Lösungen eingeführt werden sollen. Priorisieren Sie Bereiche mit signifikanten Abweichungen zwischen tatsächlichen und modellierten Daten.

Cybersecurity Mesh: Achten Sie bei der Auswahl ihrer Sicherheitslösungen auf deren Zusammensetzbarkeit und Interoperabilität. Schaffen Sie ein Grundgerüst zum Zusammenstellen und Integrieren der Security-Lösungen.

Privacy-Enhancing Computation: Untersuchen Sie wichtige Anwendungsfälle innerhalb der Organisation und im weiteren Ökosystem, wo personenbezogene Daten in nicht vertrauenswürdigen Umgebungen analysiert oder für BI-Zwecke genutzt werden sollen. Priorisieren Sie Investitionen in anwendbare Privacy-Enhancing-Computation-Techniken.

Cloud-Native Platforms: Minimieren Sie alle Basic-«Lift and Shift»-Migrationen, die keine vollwertigen Cloud-Attribute vorweisen. Investieren Sie in Cloud-native-Plattformen und übernehmen Sie moderne Prinzipien der Anwendungsarchitektur.

Composable Applications: Alle neuen Technologie-Initiativen sollten auf zusammensetzbaren Architekturen basieren. Modernisieren Sie Ihre Anwendungen, das Engineering und überprüfen Sie die Liste Ihrer Anbieterdienste. Kaufen Sie Standard-PBCs (packaged-business capabilities).

Decision Intelligence: Starten Sie mit Decision Intelligence in Bereichen, in denen geschäftskritische Entscheidungen anstehen und die Produktion datengestützt oder KI-getrieben verbessert werden muss. Ebenfalls dort, wo Entscheidungen skalierbar sind und durch Automatisierung beschleunigt werden können.

Hyperautomation: Erstellen Sie ein ganzheitliches Mapping und Sammelinitiativen für die Automatisierung, statt Automatisierungs-Insellösungen zu betreiben.

AI Engineering: Implementieren Sie KI-Engineering als strategisches Differenzierungsmerkmal. Etablieren und verfeinern Sie KI-Engineering-Praktiken unter Einbeziehung von Best Practises von DataOps, ModelOps und DevOps.

Distributed Enterprise: Wechseln Sie aufgrund von verändertem Kunden- und Verbraucherverhalten sowie der Notwendigkeit von remote working Ihr Geschäftsmodell. Das neue Credo lautet «virtuell first, remote first» . Stellen Sie schnellstmöglich die Werkzeuge dafür zur Verfügung.

Total Experience: Bilden Sie Teams, die die Erfahrung aller Beteiligten eines Geschäftsprozesses verfolgen und lassen Sie alle voneinander lernen. Machen Sie alle leitenden Angestellten gleichermassen sowohl für die erfahrungsbezogenen Initiativen als auch für die Befriedigung der kombinierten Kunden:innen und Mitarbeiter:innen-Bedürfnisse verantwortlich.

Autonomic Systems: Führen Sie möglichst früh dort autonome Technologien ein, wo sie Agilität sowie Leistungsvorteile in der Verwaltung komplexer Software und physikalischer Systeme liefern.

Generative AI: Beschleunigen Sie Ihre Forschungs- und Entwicklungsbemühungen zur Entwicklung neuer Produkte durch bewährte Anwendungen von generativer künstlicher Intelligenz. Treiben Sie die Personalisierung von Gegenständen/Artifakten voran.

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